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║ streng-orthodox-konservative Anti-Anarcho-Radfahrer                 ║
║ Donnerstag, 17. Juli 2008, 11:09                               eloi ║
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(auch: sucker (von SOKAAR (streng-orthodox-konservative Anti-Anarcho-Radfahrer)))

Das Schöne am Radfahren ist die Faszination des sich selbst ordnenden Chaos(es). Ja, es herscht ja auf den Radwegen, Fußwegen, Straßen und Randbegrünungen zu Stoßzeiten richtig schöne Anarchie. Regeln kümmern die Wenigsten etwas. Ampeln, Schilder, Begrenzungen und ähnliche Lapalien gelten ja allenfalls für Autofahrer. Es wird links gefahren, ohne Vorwarnung ausgeschert, abgebogen, gewendet, gebremst... So praktische Lämpchen wie bei Autos, die zuweilen vorrausahnen lassen, welche Aktion der jeweilige Fahrer als nächstes durchzuführen gedenkt, gibt es ja auch nicht. Hinzu kommen Hindernisse wie völlig unberechenbare (aber glücklicherweise vergleichsweise langsame) Fußgänger, die trägen (aber endschnellen, dafür berechenbaren) Autos, Kinder, Hunde, Bäume, Mülltonnen, Busse und allerlei anderes Gedöns.

Und das wuselt morgens um 9 alles umeinander, durcheinander und ineinander. Aber auf wundersame Weise wird niemand verletzt, umgefahren oder muss auch nur seine Fahrt unterbrechen.

Alles funktioniert und greift ineinander wie ein wirres, anarchisches, nicht zu durchblickendes, aber dennoch ungemein präzises Uhrwerk einer Uhr, gemacht von einem alten, einarmigen Uhrmacher auf LSD, durch seine pure Geisteskraft... ich schweife ab.

Es ist dieser Fahrradfahrer-Mikrokosmos ein anarchisches, sich selbst organisierendes, gleichberechtigtes System. Und es funktioniert.

Zumindest solange bis eines dieser subversiven Elemente aufkreuzt.

Wie in jedem System gibt es auch im Anarcho-Radfahr-System Gegner, die das System nicht akzeptieren, sich dagegen wehren, es zerstören wollen. OK, OK, sollen sie. Solange es nicht zu viele werden gehört das ja auch irgendwie dazu. Die permanente Verwundung der Gesellschaft, die das Immunsystem auf trab hält. Wo war ich?

Ahja. Gegner. Das sind zumeist Herren zwischen 30 und 60, die sonst normalerweise Auto fahren und nur ausnahmsweise mal auf ihr Rad steigen (was man dem Fahrrad zumeist auch ansieht).

Das sind die streng-orthodox-konservativen Anti-Anarcho-Radfahrer. Sie wollen die totale Ordnung und äussern dies, indem sie auf dem Fahrradweg, auf dem sie fahren, ihre Fahrtrichtung als die einzig Wahre und Richtige nicht nur ansehen, sondern diesen Standpunkt auch durch Ausklappen der Ellenbogen und demonstrativem Mittigfahren unterstreichen.

Diese (in meinen Augen völlig unnötig aggressive) Gestik wird noch beim Vorrüberfahren unterstrichen durch den gebrüllten Schlachtruf der streng-orthodox-konservativen Anti-Anarcho Radfahrer:

..maaann, falsche Seiteeee..


Zum Glück kann man als routinierter Fahrradanarchist lässig ausweichen und "Gegner!" zurückbrüllen... (oder "Subversives Element!" falls man langsam genug ist.)